Wie wäre es Niki Lauda in Deutschland ergangen?

Frankfurt, 10.08.2018. Als ich vergangene Woche das erste Mal von der Lungentransplantation Niki Laudas hörte, war ich ehrlich gesagt erst einmal misstrauisch. Das, was man lesen konnte, klang, als habe Lauda kurz mal seinen Urlaub unterbrochen, um eine neue Lunge zu bekommen. Von dem, was ich über Organspende weiß, fand ich das sehr verwunderlich. Mir war aber auch klar, dass ich keine Ahnung von den Verhältnissen in Österreich habe. Deshalb dachte ich mir: Recherchiere ich doch mal ein bisschen.

Station 1: Eurotransplant und DSO

Am Montag startete ich zunächst bei Eurotransplant, wo ich richtig schön abblitzte. Ich finde es schwierig, wenn man konkrete Fragen stellt und daraufhin nur allgemeine Aussagen bekommt. Das ist nicht förderlich für den Eindruck, dass transparent kommuniziert wird. Auch die Deutsche Stiftung Organtransplantation, die ich sonst immer sehr unterstützend erlebe, hielt sich sehr zurück auf meine Nachfrage nach Wartezeiten etc. in Deutschland. Manchmal geht es ja nur darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, ob es sich lohnt, weiter an einem Thema dranzubleiben – oder nicht. Die Kommunikationschefin Birgit Blome wies mich dann aber daraufhin, dass das Allgemeine Krankenhaus in Wien, in dem Lauda behandelt wird, am Mittwoch eine Pressekonferenz gab.

Station 2: Pressekonferenz des Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien

In einzelnen österreichischen Medien gab es Live-Ticker von der PK, was die Bedeutung des Ereignisses zeigt. In ihrem Rahmen wurde einiges klarer, nämlich speziell Laudas tatsächliche Erkrankung, ein ja nicht ganz unwichtiger Fakt. Die Ärzte berichteten, dass sich Laudas Lungenbläschen entzündet hatten. Medikamentös bekam das die Klinik nicht in den Griff. Dann drangen noch zusätzlich eigene Immunzellen in die Lunge ein und zersetzten diese von innen. Lauda hing ein paar Tage lang an der sogenannten Extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO). Das ist ein Unterstützungsgerät für Lunge und auch Herz. Mittels einer Pumpe wird Blut aus dem Körper des Patienten gepumpt, das aufgrund der hochgradigen Einschränkung des respiratorischen Systems wenig Sauerstoff enthält. Die ECMO reichert es mit Sauerstoff an und befreit es von Kohlendioxid. Danach gelangt das Blut über einen großen Gefäßkatheter zurück in den Blutkreislauf des Patienten. Ein großer Nachteil ist, dass die Komplikationen an einer solchen Maschine doch erheblich für den Patienten sind. Je früher man dann transplantiert, desto besser.

Station 3: Prof. Axel Haverich, Medizinische Hochschule Hannover

Die Dringlichkeit, die gemeinsam mit den Erfolgsaussichten der Transplantation ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung zur OP ist, war für Lauda also sicherlich gegeben. Mich überraschte aber, dass so schnell eine Lunge verfügbar war und ich fragte mich, ob das mit der deutlich höheren Spenderbereitschaft in Österreich zu tun haben könnte? Wie hätte sich die Situation dargestellt, wenn Niki Lauda nicht in Österreich, sondern in Deutschland ins Krankenhaus gekommen wäre? Zum Beispiel in die Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, in der die meisten Lungentransplantationen in Deutschland vorgenommen werden. 2017 waren es 134, 2016 135. Der Ärztliche Direktor Prof. Axel Haverich hat in seiner medizinischen Karriere rund 1.000 Lungen-Transplantationen vorgenommen. Er war so freundlich, heute Mittag für ein Telefonat zur Verfügung zu stehen. Er berichtete, dass auf der Warteliste für eine Lungentransplantation in Hannover gerade einmal 28 Patienten stehen und diese in aller Regel auch relativ schnell eine neue Lunge bekommen. Die Wartezeit liegt im Durchschnitt bei drei Monaten, die Bandbreite erstreckt sich zwischen zwei Tagen und einem Jahr. Die Transplantation innerhalb kürzester Zeit realisiert sich sogar immer wieder ohne einen Hochdringlichkeitsstatus.

Als Erklärung für diese entspannte Situation führte Prof. Haverich an, dass es deutlich weniger potentielle Lungentransplantatempfänger als potentielle Nieren-, oder Herz-, oder Lebertransplantatempfänger gibt. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es viele Lungenkrankheiten gibt, die die Betroffenen von einer möglichen Transplantation ausschließen. So verhindern alle Krebsarten, die die Lunge betreffen, eine mögliche Transplantation, und auch alle Patienten mit Lungenemphysem scheiden aus. Das ist die häufigste Lungenschädigung.

Zum fortgeschrittenen Alter von Lauda, der 69 Jahre alt ist und zur Frage, warum in Hannover sehr wenige Patienten operiert werden, die älter als 65 Jahre sind, sagte Prof. Haverich: „Sehr häufig ist das Risiko zu hoch und die Aussichten zu schlecht. Wir sind ja gehalten nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht zu transplantieren. Der typische schwer Lungenkranke mit 70 Jahren hat Gefäßveränderungen durch das Rauchen und/oder einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen an den Beinen. Diese Patienten scheiden für eine Transplantation aus.“ Nach dem, was man weiß, trifft nichts davon auf Lauda zu.

Fazit

Die Aussagen von Prof. Haverich legen also nahe: Wäre Lauda Deutscher, wäre es ihm voraussichtlich nicht anders ergangen als dem Österreicher Lauda. Hätte Lauda aber ein neues Herz gebraucht, hätte er in Deutschland vermutlich länger warten müssen als in unserem Nachbarland.