Was für ein Trio

Frankfurt, 21.05.2018. Das passiert auch nicht jeden Tag: Am Samstag habe ich erst Royal Wedding in Windsor geschaut, dann mir die Poetikvorlesung von Christian Kracht an der Goethe-Universität angehört, und abends wird die Eintracht Pokalsieger. Unterschiedlicher geht’s kaum, aber jedes Ereignis hatte seinen eigenen Reiz.

Meghanmania

Ich gebe es zu: Ich finde Meghan Markle schon ziemlich cool. Ob es eine Verheißung ist, in diese Familie hineinzuheiraten, bezweifele ich, aber mit Harry hat sie sich ja zumindest einen Typen ausgesucht, der nicht irgendwann König werden muss, so dass es sich daher mutmaßlich etwas lockerer lebt.
Was mich erstaunt hat: Die Predigt dieses amerikanischen Pastors war für viele Medien das Highlight der Trauung, bei mir kam sie ziemlich durchgeknallt an. Ich scheine noch an mir arbeiten zu müssen. Und ich war anscheinend auch die einzige, die sich an den Falten des Brautkleids auf Bauchhöhe gestört hat…

Ein Autor in Parka

Christian Kracht, dessen Debütroman „Faserland“ ich am Anfang meiner Studienzeit Mitte der neunziger Jahre versuchte zu lesen, aber so blöd fand, dass ich nicht weit kam und seitdem kein Buch mehr von ihm in die Hand genommen habe, hält in diesem Jahr die Poetikvorlesung an der Frankfurter Goethe-Universität. In meinem Lieblingsbuchladen hatte ich das Plakat für die drei Termine gesehen, hätte die Vorlesungen aber wahrscheinlich ignoriert – obwohl sie keinen Kilometer entfernt von meiner Wohnung stattfinden. Doch dann kam es zu ungewöhnlich viel Berichterstattung (hier der Link zu SPIEGEL ONLINE) über seine erste Vorlesung (die ich nicht hörte), da Kracht, heute um die 50 Jahre alt, damit einstieg, dass er noch vor der Pubertät von einem Geistlichen, der an dem Internat lehrte, das Kracht in Kanada besuchte, sexuell missbraucht wurde. Unter anderem da ihm seine Eltern, denen er damals am Telefon weinend davon berichtete, nicht glaubten, sondern auf seine überbordende Phantasie verwiesen, verdrängte er diesen Übergriff so sehr, dass ihm erst jetzt, als er in einem kanadischen Magazin über diesen Geistlichen und die Vorwürfe vieler früherer Schüler des Internats las, klar wurde, dass er sich nichts eingebildet hatte. Kracht erläuterte in der ersten Vorlesung, wie ihm dann auch erst bewusst wurde, wie sehr sein Werk von diesem Mann und dem Erlebten geprägt ist.

Ja, es war ein gewisser Voyeurismus, der mich nach diesem Bekenntnis dazu veranlasste, mir die zweite Vorlesung anzuhören. Aber Kracht bedient diesen Voyeurismus nicht, hat das sicherlich auch nicht bei seinem ersten Auftritt getan. Er spricht mit einer ganz weichen Stimme eine Stunde lang über sich, seine Vergangenheit, die britischen und amerikanischen Autoren, die ihn in der Schulzeit prägten. Er trägt im vollbesetzten Audimax vor deutlich mehr als 1.000 Zuhörern einen Parka; den karierten Schal hat er dieses Mal bei über 20 Grad Außentemperatur immerhin abgenommen. Er wirkt, als wolle er sich verschanzen – und ist dabei so gnadenlos offen. Seine Kindheit und Jugend zeichnet er in dunklen Tönen: der Vater, ein hoher Springer-Manager, ist vollkommen desinteressiert an seiner Familie, die Mutter müssen er als 15-Jähriger und seine jüngere Schwester nach einem Suizidversuch alleine ins Krankenhaus bringen. Aber Kracht spricht darüber, ohne anzuklagen, ist ganz ruhig. Ich denke, ich werde mir die letzte Vorlesung morgen Abend auch noch anhören.

Die Rückkehr des Adlers

Ich bin wahrlich kein Eintracht-Fan, aber wenn Frankfurt den DFB-Pokal gewinnt und dabei noch die Bayern schlägt, kommt mein früheres Sportberichterstatterinnen-Herz kurzzeitig zum Vorschein und freut sich mit. Und freut sich auch darüber, dass gestern so viele Menschen diese – Entschuldigung – überbezahlten, tätowierten Kicker mit Durchschnitts-IQ so begeistert und so friedlich empfangen haben in unserer schönen Stadt am Main.