Ein Buch, dessen Lektüre fordert: Das Leben nehmen. Suizid in der Moderne
Frankfurt, 27.02.2018. In den letzten Tagen habe ich mich mit einem zugegebenermaßen speziellen Buch beschäftigt. Es heißt: „Das Leben nehmen. Suizid in der Moderne“, stammt von Thomas Macho, einem österreichischen Kulturwissenschaftler, und ist vergangenes Jahr im Suhrkamp-Verlag erschienen.
Eine Betrachtungsweise, auf die ich mich erst einlassen musste
Macho beschreibt auf 450 Seiten die Kulturgeschichte des Suizids und wie sich dessen Wahrnehmung schon ab dem 18. Jahrhundert änderte. Tatsächlich hob Friedrich II. in Preußen bereits 1751 alle Suizidstrafen auf (zuvor war beispielsweise das Familienvermögen eines Suizidenten beschlagnahmt worden). Obwohl das Buch viele solcher interessanten Fakten zusammenträgt, musste ich mich überwinden, das Thema Suizid so zu rezipieren, wie es Macho in der Einleitung ankündigt: „Ich folge in diesem Buch einerseits der historischen Chronologie, andererseits konzentriere ich mich auf die verschiedenen Erscheinungsformen der kulturellen Erfahrung von Suiziden. Im Zentrum stehen also nicht die persönlichen Motive oder sozialen Hintergründe von Suiziden, und auch nicht die Möglichkeiten der Prävention und Therapie oder gar die praktikablen Methoden des Suizids; gefragt wird vielmehr, welche kulturellen Bedeutungen dem Suizid verliehen werden. Statistiken und Fallgeschichten werden zwar zitiert, aber nicht, um irgendeine Art von Ursachenforschung zu betreiben, sondern um dominante Diskurse und Kontexte beleuchten zu können. In diesem Sinne werden Thematisierungen des Suizids in Werken der Malerei, der Literatur oder der Filmkunst als Quellen, die zur Beschreibung von Suizidkulturen beitragen können, ebenso ernst genommen wie philosophische, sozialwissenschaftliche oder psychologische Untersuchungen.“
Eine Bandbreite an Perspektiven
Nachdem ich die Hürde in meinem Kopf überwunden hatte, Suizid nicht vorrangig als emotional besetztes Geschehen zu betrachten, fand ich die Lektüre sehr interessant. Speziell die Kapitel, in denen Macho zusammenträgt, welche Bücher und Filme von Suiziden handeln, sind sehr lesenswert. Auch die Äußerungen und Handlungen rund um Sterbehilfe und assistierten Suizid haben mir viele Denkanstöße gegeben. Und trotzdem konnte ich mich nicht komplett frei davon machen, dass Macho Suizid (in der Moderne) vor allem als Instrument der Selbstbestimmung beschreibt. Was ich bislang von Wissenschaftlern vernommen habe, ist der Suizid in der deutlichen Überzahl der rund 10.000 Todesfälle im Jahr nicht ein Akt der in vollem Bewusstsein getroffenen Entscheidung für ein Leid abkürzendes Ende am Lebensende, sondern eine verzweifelte Tat von psychisch kranken Menschen, die verhindert werden könnte und sollte.