ARTE-Reportage über Spendernieren via Facebook-Suche

Berlin, 02.02.2018. Was für ein interessanter Vergleich: Bei einer Podiumsdiskussion heute Abend in Berlin zum Thema Organspende sagte Gudrun Ziegler, die 2003 eine neue Leber erhielt und die sich seitdem für die Organspende einsetzt, dass man eine positive Schlagzeile im Lokalteil der Zeitung bekommt, wenn man einen Hund aus dem Eiswasser zieht. Wenn man nach seinem Tod jedoch Organspender wird und damit mehreren Menschen das Leben rettet, bleibt man anonym. Es gibt keinen Dank, zumindest keinen öffentlichen. So will es das Gesetz.

Podiumsdiskussion in Berlin

Generell ging es an diesem Abend viel um die Gesetzgebung in Deutschland und anderen europäischen Ländern – leider ohne dass ein Diskutant aus der Politik dabei gewesen wäre. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatte kurzfristig abgesagt, da er weiterhin in den Koalitionsverhandlungen sitzt. So tauschten sich neben Gudrun Ziegler Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, Stefan Berger, deutscher Nephrologe und Transplantationsmediziner an der Uniklinik im niederländischen Groningen und Sandra Aid, Autorin einer Reportage, die am kommenden Montag bei ARTE läuft und die vor der Diskussion gezeigt wurde, aus. Frau Aid begleitete zwei holländischen Patienten, die eine Spenderniere benötigten, über die Dauer eines Jahres hinweg. Beide versuchen, über Facebook einen Lebendspender zu finden. Das ist möglich, da es in den Niederlanden im Vergleich mit Deutschland deutlich divergierende Regelungen gibt. Seit 13 Jahren ist bei unseren Nachbarn beispielsweise die anonyme Lebendspende (funktioniert nur für Niere und Leber) erlaubt. In Deutschland ist eine Lebendspende nur zwischen zwei Menschen möglich, die verwandt sind und/oder sich nahestehen. Eine Facebook-Bekanntschaft würde darunter nicht fallen.

Befördert diese Spendeform Organhandel?

Ob das gut so ist oder nicht, darüber gab es in der Diskussion, die von dem renommierten Dokumentarfilmer Stephan Lamby (unter anderem Autor der hervorragenden Dokumentation über Helmut Kohls schwarze Kassen, die im Dezember in der ARD lief und gleichzeitig Produzent der besagten Reportage) geleitet wurde, keine Einigkeit. Herr Montgomery betonte mit Blick auf die niederländischen Möglichkeiten mehrmals die Gefahr des Handels mit Organen, was die anderen Teilnehmer zurück- bzw. darauf hinwiesen, dass es auch unter Familienmitgliedern zu Absprachen finanzieller oder welcher Art auch immer kommen kann. Stefan Berger wagte sogar die Frage zu stellen, ob es so schlimm sei, wenn das passiert, dafür aber ein Leben gerettet wird. Ethische Prinzipien seien keine Wahrheit, sagte er sinngemäß.

Montgomery plädiert für Widerspruchslösung

Was mich aufhorchen ließ: Herr Montgomery bekannte sich im Namen der Ärzteschaft zur Einführung der Widerspruchslösung in Deutschland. Wenn die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen würde, wären die deutschen Ärzte dafür, dass jeder Deutsche ab einem gewissen Alter automatisch zum Organspender wird und aktiv widersprechen muss, wenn er das nicht möchte. Momentan ist es in Deutschland umgekehrt. Diese Aussage hatte ich so noch nicht gehört. Montgomery geht jedoch auch davon aus, dass die Politik nichts entsprechendes entscheiden wird. Angeblich soll im Koalitionsvertrag die Neuregelung des Transplantationsgesetzes festgelegt werden.

Sendeplatz bei ARTE am Montagabend, 5.2.2018

Die ARTE-Reportage Re: Bitte eine Niere! Organspende via Facebook läuft am Montag, 5.2.2018, um 19:40 Uhr bei ARTE. Sie ist danach auch in der Mediathek abzurufen, wo momentan bereits eine Vorschau auf den Film zu sehen ist. Empfehlung!