Schokolade hilft? Manche Deutsche haben krude Ansichten über Depressionen

Berlin, 29.11.2017. Nein, Schokolade hilft nicht, wenn ein Mensch an Depressionen leidet. Eine solche Einschätzung zeigt, dass es in Deutschland noch immer an Wissen über die Behandlungsmöglichkeiten (aber auch über die Ursachen) dieser Erkrankung mangelt, obwohl sie eine Volkskrankheit ist. Immerhin trifft eine behandlungsbedürftige, unipolare Depression jedes Jahr ca. 5,3 Millionen Deutsche.

Die Deutsche Depressionshilfe stellte gestern in den Berliner Räumlichkeiten ihres Unterstützers, der Deutsche Bahn Stiftung, die Zahlen des ersten Deutschland-Barometer Depression vor. Diese Umfrage soll ab nun jährlich durchgeführt werden. Für die erste Auflage wurden im Juni 2017 gut 2.000 Menschen online zu Ihren Ansichten und Einschätzungen über Ursachen und Behandlungsmethoden von Depression befragt.

Was wissen die Deutschen über die Ursache von Depression?

Bei den Meinungen über mögliche Ursachen zeigt sich, dass Depressionen zu häufig als Reaktion auf widrige Lebensumstände angesehen und nicht als eigenständige Erkrankung erkannt wird. Menschen, die selbst erkrankt sind oder zum Beispiel als Angehörige mit der Krankheit konfrontiert sind, wissen besser als der „Durchschnitt“, dass neben psychosozialen auch biologische Faktoren eine Rolle bei der Depressionsentstehung spielen. Mehr als 50 Prozent der Befragten gaben an, dass „falsche Lebensführung“ (was immer das sein mag – ganz generell), mehr als 30 Prozent dass „Charakterschwäche“ (dito) sehr relevant oder relevant für das Entstehen einer Depression sei. „Stoffwechselstörungen im Gehirn“ (66%) und „Vererbung“ (63%) wurden zwar häufiger genannt, lagen aber weit hinter „Schicksalsschläge“ (95,7%) und „Belastungen am Arbeitsplatz“ (93,9%). Das ist aber nicht richtig. In einem Interview, das ich im September mit Prof. Ulrich Hegerl, dem Gründer und Vorsitzenden der Deutschen Depressionshilfe geführt habe, sagte er:
„Die verbreitete Vorstellung, dass Depressionen Folge äußerer Belastungen sind, ist in den meisten Fällen irreführend. Leute, die bislang nicht näher mit der Erkrankung konfrontiert worden sind, verstehen nicht, dass eine schwerere Depression etwas komplett anderes ist als eine gedrückte Stimmung bei Stress, Überforderung, Trauer, Kränkung oder andern Bitternissen des Lebens.“

Was denken die Deutschen, wie Depressionen behandelt werden sollten?

Mangelnde Kenntnisse zeigen sich auch bei den Meinungen der Deutschen über Hilfsmittel in der Behandlung von Depressionen. 96% bzw. 92% denken, dass es am hilfreichsten ist, zum Psychotherapeuten oder Arzt zu gehen, was auch genau richtig ist. Die Wirkung von Medikamenten schätzen die Deutschen hingegen nicht richtig ein. Ihre Beurteilung als sehr geeignet oder geeignet in der Behandlung von Depressionen müsste ebenfalls über 90 Prozent liegen, liegt aber nur bei 75%. „Mit Freunden sprechen“ und „Viel Sport machen“ wird als hilfreicher eingeschätzt als die Einnahme von Antidepressiva. Relativ unglaublich finde ich, dass fast ein Fünftel der Befragten angab, dass „Schokolade essen“ oder „Sich zusammenreißen“ geeignete Hilfsmittel seien. Bei einer körperlichen Erkrankung käme darauf vermutlich niemand…

Auf der Website der Stiftung Deutsche Depressionshilfe gibt’s alle Informationen zum Barometer. Und in den tagesthemen vom 28.11. (ab Minute 25) einen ganz gelungenen Beitrag, wie ich finde.