Mein Tag auf der Buchmesse in Frankfurt

Frankfurt, 12.10.2017. Vor einem Jahr stand ich als Ausstellerin auf der Buchmesse Frankfurt und habe von der Messe außerhalb unserer zwölf Quadratmeter nichts mitbekommen.

Das war heute anders. Ich habe mich allerdings kaum an den Verlagsständen herumgetrieben, sondern den Großteil der Zeit bei Funk und Presse zugebracht. Dort finden die meisten Gespräche statt, dort kann man in aller Regel klugen Menschen zuhören – und das gibt mir mehr als die Klappentexte von Büchern zu lesen. Das ist in der Buchhandlung um die Ecke komfortabler möglich als auf der vollen Buchmesse.

Vier Sätze, die mir heute gefallen haben, die zum Teil aber nichts mit dem jeweiligen Buch zu tun haben:
Hasnain Kazim stellte am SPIEGEL-Stand (und nicht nur dort) sein Buch „Krisenstaat Türkei“ vor. Er kommentierte den Begriff „Gastarbeiter“ mit: „Den habe ich noch nie verstanden. Seit wann lässt man Gäste arbeiten?“

Sasha Marianna Salzmann, die für „Außer sich“ auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, plädierte dafür, dass „Einsamkeit wieder sexy sein sollte“. Damit meint sie, dass es früher einen Reiz hatte, stundenlang alleine irgendwo mit einem Buch zu sitzen. Heute müssen wir unsere Gedanken alle zehn Minuten unterbrechen, um eine Twitter-Nachricht abzusetzen.

Von Robert Menasse, der den diesjährigen Buchpreis erhalten hat, muss ich zwei Sätze zitieren. In seinem Roman „Die Hauptstadt“ geht es um Brüssel und die EU. Er hat jahrelang zur EU recherchiert, auch schon für sein vorangegangenes Sachbuch „Der europäische Landbote“. Er sagt: „Nationen funktionieren nicht, Regionen schon. Ein Europa der Regionen hat Chancen. Deshalb sollte Brüssel die Katalanen unterstützen und ihnen eine Heimat in Europa anbieten. Die Nationalisten sitzen in Madrid.“ Das ist eine Ansicht, die ich bislang nicht geteilt hätte, die aus dem Mund von Menasse aber gar nicht so abwegig klingt.
Und mein heutiger Lieblingssatz, nicht wörtlich zitiert: Ich lehne das Gequatsche der Politiker ab, dass die AFD-Wähler auf Augenhöhe abgeholt werden müssen. Ich weigere mich, mich hinzulegen.

Zum Abschluss des Messetages habe ich mich geärgert. Am FAZ-Stand sollte Thomas Macho sein gerade erschienenes Buch „Das Leben nehmen. Suizid in der Moderne“ vorstellen. Er war auch da, und er hat auch gesprochen, aber viel mehr geredet hat der FAZ-Feuilleton-Redakteur Edo Reents. Für ihn wird Suizid anscheinend hauptsächlich von alten, von Krankheit gezeichneten Männern wie Gunter Sachs oder Fritz J. Raddatz aus ästhetisch-philosophischen Gründen begangen. Als dann zwei Wortbeiträge aus dem Publikum kamen, denen es ähnlich ging wie mir („Die meisten Menschen, die sich das Leben nehmen, sind psychisch erkrankt.“), beschloss Herr Reents, dass die Zeit abgelaufen war.

Ich habe die Gesprächsführung durch Edo Reents nicht als adäquat empfunden, und das tue ich auch weiterhin nicht. Trotzdem habe ich mir schon auf der Rückfahrt vom Messegelände gedacht, dass es gerechtfertigt ist, auf Suizid auch aus einem anderen Blickwinkel zu schauen, als ich es tue. Das Buch habe ich schon gekauft und werde an dieser Stelle eine kurze Rezension veröffentlichen, wenn ich es gelesen habe.