Graues Mahnmal mitten in Frankfurt

Frankfurt, 22.09.2017. Seit einem Monat steht auf dem Rathenauplatz in Frankfurt unweit der Hauptwache ein temporäres Mahnmal. Es ist ein stilisierter Bus kleineren Formats, der auf den ersten Blick so aussieht, als sei er aus nassem, dichten Sand gebaut. Der Bus stammt von den beiden Künstlern Horst Hoheisel und Andreas Knitz und heißt: Das Denkmal der grauen Busse. Es stand in den vergangenen zehn Jahren bereits in einigen Städten Deutschlands, denn es ist – so auf der Website der beiden Künstler zu lesen – „ein mobiles, ausleihbares und netzwerkendes Denkmal“.

Die Geschichte dahinter: Mehr als 1.000 Frankfurterinnen und Frankfurter mit psychischen Krankheiten oder geistigen Behinderungen wurden zwischen Januar und August 1941 in der Gaskammer der NS-„Euthanasie“-Anstalt Hadamar bei Limburg (ebenfalls Hessen) ermordet. Grau gestrichene ehemalige Postbusse beförderten die zuvor bereits in Heil- und Pflegeanstalten eingewiesenen Patienten nach Hadamar, wo sie unmittelbar nach ihrer Ankunft umgebracht wurden. So ist es an dem Mahnmal und auch auf der hervorragenden Website der Stadt Frankfurt zum „Aufenthalt“ des Busses zu lesen.

Als ich heute Nachmittag den Bus betrachtete, erlebte ich zwei Szenen mit, die mich irritiert haben. Vor dem Bus fotografierten sich Menschen. Ein paar davon waren Asiaten, vermutlich Touristen und der deutschen Sprache nicht mächtig. Sie mögen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht verstanden haben, für welche Gräueltaten der Bus symbolisch steht. Andere aber unterhielten sich auf Deutsch miteinander. Es kann sein, dass sie den Erklärungstext nicht gelesen haben. Aber da sich in Berlin auch jeden Tag Besucher im Denkmal für die ermordeten Juden Europas fotografieren, scheinen viele meiner Mitmenschen einen anderen Wertekompass als ich zu haben.

Viel heftiger getroffen war ich aber von zwei Damen Mitte fünfzig, die ganz in meiner Nähe standen, mit mir gemeinsam auf die Erläuterung geschaut hatten. Nach kurzer Pause meinte die eine zur anderen, dass heute keine behinderten Kinder mehr auf die Welt kämen, da der Mord bereits im Mutterleib vorgenommen würde – und das durch die eigenen Eltern initiiert. Die andere widersprach zumindest nicht.

Ich habe auch nicht widersprochen. Aber den ganzen weiteren Tag über die Aussage nachdenken müssen. Man kann über die Pränataldiagnostik sicherlich kontrovers diskutieren, aber das Töten von „unwertem Leben“ erwachsener Menschen mit einem Schwangerschaftsabbruch gleichzusetzen, finde ich zynisch. Und wie so häufig bin ich sehr verwundert, zu welchen Thesen sich mancher hinreißen lässt.