Das Messie-Syndrom: Ein nur wenig erforschtes Phänomen

Frankfurt, 7.12.2017. Ein kaputter Kühlschrank, in dem Essensreste vor sich hin schimmeln, ein Wohnzimmer, das unter leeren Plastikflaschen, alten Zeitschriften, funktionsuntüchtigen Elektrogeräten und Essensresten untergeht, ein völlig verdrecktes Badezimmer – und über allem hängt ein Geruch, der für ungeübte Mägen schwer zu ertragen ist. Solche Eindrücke kann man aus einer Wohnung mitnehmen, in der ein Mensch mit Messie-Syndrom lebt.

Das Bild dieser wenig erforschten psychischen Störung, das wir Laien haben, speist sich unter anderem aus Fernsehbeiträgen, die dem Zuschauer gerne die heftigsten Ausprägungen zeigen.
Ja, das Sammeln, Horten und nicht Wegwerfen von allen möglichen Gegenständen kann bis zur kompletten Vermüllung einer Wohnung führen. Doch die unterschiedlichen Ausprägungen des Messie-Syndroms sind vielfältig. Viele Messies, nach Schätzungen sind in Deutschland bis zu 2,5 Millionen Menschen betroffen, leben so unauffällig, dass ihr Problem der Außenwelt komplett verborgen bleibt. Salopp gesagt: Nicht aus jeder Messie-Wohnung stinkt es so, dass die anderen Hausbewohner aufmerksam werden. Auf den Großteil der Betroffenen scheint aber zuzutreffen, dass das Chaos innerhalb der Wohnung dann doch so groß ist, dass Besuch in den eigenen vier Wänden nur im Notfall erlaubt wird.

Gesprächsprotokolle mit „Messies“

Das habe ich zumindest den protokollierten Gesprächen mit Betroffenen entnommen, die Michael Schröter in seinem Buch „Messies – ein Versuch zu verstehen“ niedergeschrieben hat. Schröter ist mit seinem Messie-Hilfe-Team seit über 15 Jahren vor allem im Großraum München, aber auch in ganz Deutschland für Sozialbehörden, Betreuungsvereine und gemeinnützige Institutionen und auch für Privatpersonen tätig. 2015 hat er zudem die „Erste deutsche Messie-Akademie“ gegründet, die über das Syndrom aufklärt und Messie-Helfer, die Wohnungen leerräumen und wieder bewohnbar machen, ausbildet. In seinem kurzen Vorwort erklärt Michael Schröter, dass Betroffene des Messie- und des Vermüllungs-Syndroms aus allen gesellschaftlichen Schichten kommen und jeder von einem individuellen Einzelschicksal geprägt ist.

Was mich bewegt hat bei der Lektüre der sieben Gespräche ist die bereits erwähnte Angst, das Chaos, das einen umgibt, Anderen offenlegen zu müssen. Um dies zu vermeiden, laden die Betroffenen über Jahre hinweg niemanden zu sich ein. Das führt zu weiterer Isolation, denn generell scheinen Messies mit dem Horten von Dingen zu versuchen, eine Leere in ihrem Leben zu füllen. Was ich ebenfalls interessant fand, war der Begriff der „Wertbeimessungsstörung“. Messies können schwer zwischen relevanten und irrelevanten Dingen unterscheiden. Das ist für unbeteiligte, nicht betroffene Personen wie mich sehr schwierig nachzuvollziehen: Was bewegt einen dazu, ein benutztes Taschentuch NICHT wegzuwerfen – einen Gegenstand, den es in millionenfacher Ausführung und zu einem Cent-Betrag zu erwerben gibt? Ich finde, dies ist ein sehr anschauliches Beispiel für die Schwere der „Störung“, unter der diese Menschen leiden.

Verbindung von Depression und Messie-Syndrom

Ich habe vor, mich intensiver in das Thema einzuarbeiten. Das Messie-Syndrom hat auch Verbindungen zur Depression. In welchem Ausmaß konnte ich noch nicht recherchieren, aber alleine deshalb interessiert es mich schon.