Zurück zu den Wurzeln – ein Leben als
freie Journalistin

Frankfurt, 27.8.2017. Am Morgen danach wache ich schweißgebadet auf. Ich habe geträumt – und ich kann mich ausnahmsweise sehr gut an den Inhalt des Traums erinnern. Ich schaute mir selbst zu, im Jahr 2050. Mein Wecker klingelte um 4.30 Uhr, da ich Tageszeitungen (DER kleine Hoffnungsschimmer des Traums; es gibt sie noch in gut 30 Jahren…) austrug. Danach nahm mein gealtertes Ich ein karges Frühstück zu sich, beschäftigte sich den Tag über möglichst ausgabenfrei (an einen geldverschlingenden Hund, der meinen Lebensabend begleitet, ist nicht zu denken), um abends in der Oper die Mäntel der Konzertbesucher entgegenzunehmen.

Um mich von diesem Schrecken zu erholen, laufe ich schnell zu meinem Lieblingsladen um die Ecke und bestelle einen Latte Macchiato für 3,50 Euro. Ich denke mir: „Das kommt davon, wenn man sich das Webinar ‚Existenzgründung als freie Journalistin‘ des Deutschen Journalistenverbands anhört.“ Dabei drängte sich das geradezu auf, befinde ich mich doch mittendrin in genau dieser Form der Existenzgründung.

Der eher pessimistisch gestimmte Seminarleiter zitiert zu Beginn einen freien Journalisten, der an gleicher Stelle gesagt haben soll: „Warum reden wir überhaupt über Existenzgründung, als freiberuflicher Journalist hat man keine Existenz.“ Oha.

Es ist richtig, dass man kein rosarotes Bild von einer seit Jahren darbenden Branche zeichnen sollte. Und dass mir zukünftig weder Auftraggeber die Bude einrennen werden, noch dass ich auf Honorare kommen werde, die auch nur ansatzweise mit meinem bisherigen Gehalt zu vergleichen sind, ist mir klar. Trotzdem hat es meine Laune nicht gesteigert, mehrere Male darauf hingewiesen zu werden, dass mir die Altersarmut droht.

Glücklicherweise tut sie das bei mir nicht, da ich so was wie einen doppelten Boden habe. Trotzdem bin ich skeptisch. Ich mache mir Gedanken, ob alles so funktionieren wird, wie ich mir das vorstelle. Denn: Ich habe zwar Journalismus studiert, habe zwischen 1992 und 2003 als Schülerin und Studentin immer in und für Redaktionen gearbeitet und während dieser Zeit auch immer das klare Ziel eines beruflichen Einstiegs als Redakteurin bei einer Tageszeitung gehabt. Doch dann habe ich 2003 einen anderen Weg eingeschlagen und begonnen, PR zu machen. Für wunderbare Unternehmen, nicht für die Pharmaindustrie oder die Tabaklobby… Es hat mir auch viel Spaß gemacht, ich habe mit vielen tollen Menschen zusammengearbeitet, habe mit der Zeit Verantwortung übertragen bekommen, hatte Freiräume und konnte einiges nach meinen Vorstellungen gestalten. Und trotzdem hat es immer ein wenig genagt an mir, dass ich mich gegen den Journalismus entschieden habe – und das unter anderem aus Bequemlichkeitsgründen.

Jetzt bin ich 42 – und habe seit 2003 keinen journalistischen Artikel mehr verfasst. Und trotzdem weiß ich, dass meine Entscheidung nicht größenwahnsinnig und auch nicht naiv ist. Ich möchte einfach wieder das machen, was mich schon immer am Journalismus fasziniert: Auf Menschen treffen und ihnen ungehemmt Fragen stellen zu dürfen, die dann auch noch beantwortet werden. Aus diesen vielen kleinen Geschichten eine große, runde, bewegende, zum Nachdenken anregende zu machen, die sich auch noch unterhaltsam liest. Und einen zeitweiligen Scheinwerfer auf Themen auszurichten, die mehr Aufmerksamkeit benötigen.

Ob es mir gelingt, diese Ziele zu erreichen? Ich bin gespannt. Und werde an dieser Stelle immer mal wieder berichten, wie es mir ergeht. Und wie schnell ich komplett auf selbstgebrühten Kaffee in der heimischen Küche umsteigen werde.